Janice Berger im Gespräch über Gefühlsintelligenz

Sie gehen davon aus, dass selbst oder gerade schmerzhafte Gefühle nicht nur zu unserem Leben dazugehören, sondern auch essenziell für unser seelisches Wachstum sind. Warum?
Unsere Gefühle sind Teil unseres Menschseins. Bereits unsere menschlichen Vorfahren lotsten sie sicher durch Gefahren und sorgten dafür, dass wir auf unsere Bedürfnisse achten. Und auch heute senden unsere Gefühle wichtige Signale, die wir sehr ernstnehmen sollten, damit wir uns darüber bewusst werden können, was gerade in unserem Leben wirklich vor sich geht. Unsere Entscheidungen fallen deutlich rationaler aus, wenn wir unsere Gefühle bewusst berücksichtigen.
Gefühle und Emotionen sind also weder gut noch schlecht, sie sind einfach da. Je mehr wir sie anerkennen, desto besser und tiefer wird unser Verständnis von uns selbst und unserem Gegenüber.

Wenn wir uns Gefühlen wie Angst, Schmerz oder Wut stellen, riskieren wir damit nicht auch, die emotionalen Geister, die wir riefen, nicht mehr kontrollieren zu können?
Unglücklicherweise sind viele von uns in dem Glauben bestärkt worden, dass Gefühle gefährlich sind. Folglich unterdrücken wir diese oft, indem wir beispielsweise lange Zeit unseren Ärger unterdrücken, bis wir dann aufgrund von Belanglosigkeiten explodieren und nicht wissen, warum.
Würden wir aber unsere Gefühle erst wirklich erleben und danach unseren Ärger angemessen ausdrücken, sänke das Risiko, bei nächster und nichtiger Gelegenheit nicht mehr Herr seiner Gefühle zu sein. Wenn wir also unsere Zweifel und Ängste unterdrücken, anstatt mit ihnen intelligent umzugehen, manifestieren sich die Gefühle körperlich in Form von Kopfschmerzen, Rückenleiden oder allgemeiner Erschöpfung. Wir können nicht klar sein, wenn wir unsere Gefühle tief in uns begraben, denn tot sind sie sicherlich nicht, im Gegenteil: Sie erwachen unversehens und heftig und meist, wenn wir sie am wenigsten erwarten.

Jedes Gefühl will uns demnach etwas, meist Bedeutsames, mitteilen. Können wir lernen, diese Botschaften zu dechiffrieren?
Es ist sehr wichtig, während einer Situation mit seinen Gefühlen verbunden zu bleiben, bis eine erste Verbindung zu der dahinterliegenden Ursache entsteht. Erst dann haben wir die große Chance zu erkennen, was uns wirklich so viel Schmerz hatte bereiten können, und weswegen das heutige Gefühl so irritierend stark ist. So können wir unser ursprüngliches Trauma nicht nur erkennen, sondern auch heilen. Wir müssen dafür zurück zu der Situation, die uns in der Vergangenheit traumatisiert hat und jetzt die Gefühle von damals zulassen und erleben. Dadurch begreifen wir, wie verbotene und vermiedene Gefühle unser Leben noch heute stark beeinflussen.


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